Selbst seismische Ereignisse um Magnitude 3 verursachen keine nennenswerten Schäden

Gastbeitrag

Nachbetrachtung zur Expertenbefragung zum Thema „Tiefengeothermie in Waghäusel“ vom 2. Februar 2023

Wovon reden Erdbebenexperten eigentlich, wenn bei einer Magnitude von 1,3 das  schlagartige Einstellen sämtlicher Aktivitäten an einer Tiefenbohranlage eintritt? Was bedeutet die Aussage, dass sie danach Nachbeben bis zu einer Magnitude von 2,3 für möglich halten? Wie sind die Schilderungen der festgestellten Gebäudeschäden einer direkt Betroffenen bei der gemessenen Magnitude von 3,9 beim induzierten Beben in Vendenheim einzuordnen? Diese Fragen stellte (sich) bei der Expertenbefragung vom 2. März 2023 in der Wagbachhalle in Waghäusel niemand! 

Ein grundlegendes Verständnis über die Hintergründe der Richterskala ist jedoch eine wichtige Voraussetzung, um die von den Experten in der Diskussion genannten Größen richtig bewerten zu können. 

Die Magnitudenfunktion verläuft nicht linear, sondern exponentiell. Am einfachsten zu verstehen ist die Tatsache, dass sich die Erdbebenstärke mit jedem 0,1-Dezimalen-Schritt ca. ver-1,4-facht! Das bedeutet, dass ein Erdbeben der Stärke 3,9 etwa doppelt so viel Energie freisetzt wie ein Beben der Stärke 3,7! Und viermal so viel wie bei 3,5. Und achtmal so viel wie bei 3,3. Und 16 mal so viel wie bei 3,1.Und so weiter und so fort. Dies führt zu der Erkenntnis, dass zwischen dem Vendenheim-Beben von 2019 und dem vorgesehenen „Abschalt-Ereignis“ bei der Ampel in Waghäusel das ca. 8000-fache der freigesetzten Erdbebenenergie liegen.  

Auch wenn man die nur für eine Risssanierung vorgesehenen Kosten großzügig verdoppelt, ist die Versicherungshöhe aller Voraussicht nach großzügig dimensioniert.

Ernst Schuhmacher, Bauingenieur und Statiker

Die in Waghäusel zu erwartenden Nachbeben bis Magnitude 2,3 nach einem Herunterfahren der Anlage („Ampel auf Rot“) sind nach der obigen Darstellung 32 mal energiereicher, als das „Abschaltbeben“, aber um des 250-fache energieärmer (0,4 Promille), als das Ereignis in Vendenheim. 

Nach den gängigen Bewertungskriterien sind Erdbeben mit einer Magnitude zwischen 1 und unter 3, sogenannte Mikrobeben. Während Beben mit Magnituden unter 2, messbar, aber normalerweise nicht spürbar sind, sind die Ereignisse zwischen Stufe 2 und 3 je nach Intensität und Tiefe spürbar. Beben um M3 lösen lt. Merkblatt des Innenministeriums zu Erdbeben in Baden-Württemberg (03.01.2006) keine bzw. keine nennenswerten Schäden aus. Erst ab Magnituden um 4 werden vereinzelte und leichte Schäden registriert, an anfälligen (weniger robusten) Gebäuden auch schwerere. 

Zwischen dem 24.12.2022 und dem 07.02.2023 (45 Tage) traten in BW, RP und den benachbarten Regionen (CH, F) 24 tektonische („natürliche“) Beben der Stärke größer 1,3 („Ampelwert“) und davon 6 größer 2,3 („Nachbebenwert“) auf, also praktisch jeden zweiten Tag eines.

Wie auf der Veranstaltung von der Bauingenieurin, die sich mit rund 100 weiteren Geschädigten des Vendenheim-Projekts zusammengeschlossen haben, erklärt wurde, liegt die gemeinsame Schadenssumme nach dem Beben der Stärke 3,9 bei unter 3.000 Euro pro Schadensfall. Auch wenn man diese nur für eine Risssanierung vorgesehenen Kosten großzügig verdoppelt, ist die Versicherungshöhe in Waghäusel aller Voraussicht nach großzügig dimensioniert.

Autor: Dipl.-Ing. Ernst Schuhmacher, Bauingenieur und Statiker